Nach mehreren Jahren Pause war es in diesem Schuljahr endlich wieder so weit: Die deutsch-chinesische Jugendbegegnung mit der Thomas Foreign Language School in Qingdao konnte wieder stattfinden. Seit 2009 pflegt unsere Schule in Zusammenarbeit mit der Akademie Biggesee diesen besonderen Kontakt, der jungen Menschen beider Länder die Möglichkeit gibt, einander kennenzulernen, kulturelle Erfahrungen zu sammeln und internationale Freundschaften zu schließen. Erstmalig konnten wir in diesem Durchgang auch mit der Grand International School zusammenarbeiten. Gefördert wird das Projekt durch den Kinder- und Jugendplan der Bundesregierung sowie das Bildungsnetzwerk China.
Am 27. September startete unsere Gruppe von 15 Schülerinnen und Schülern früh morgens an der Akademie Biggesee. Mit dem Bus ging es zum Frankfurter Flughafen und nach einem rund neuneinhalbstündigen Flug erreichten wir Peking. Die Einreise verlief mit Fingerabdruck-Scan und Sicherheitskontrollen etwas aufwändig, wobei auch einige Powerbanks leider abgegeben werden mussten, doch schließlich saßen wir im Anschlussflug nach Qingdao. Dort wurden wir herzlich von MaShan, dem Leiter der Thomas Foreign Language School, abgeholt und direkt in ein landestypisches Restaurant gebracht, wo wir unser erstes authentisches chinesisches Essen probieren durften. Anschließend fuhren wir weiter zur Grand International School, wo uns die chinesischen Schülerinnen und Schüler bereits begeistert aus den Fenstern zuwinkten. Unsere Koffer wurden freundlicherweise in den vierten Stock getragen, und kurz darauf begann die feierliche Opening Ceremony. Zur Begrüßung erhielten wir Freundschaftsarmbänder und suchten uns chinesische Namen aus, die ebenfalls auf Armbändern verewigt wurden. Bei kleinen Icebreaking-Aktivitäten und Spielen lernten wir unsere chinesischen Partner kennen und kamen schnell ins Gespräch. Nach dem Abendessen in der Cafeteria erkundeten einige noch das Einkaufszentrum in der Nähe, bevor wir auf die erstaunlich harten Betten des Internats fielen. Einmal-Bettwäsche und Einmal-Handtücher sorgten für eine etwas ungewohnte, aber durchaus amüsante Erfahrung.
Am nächsten Morgen erwartete uns ein typisch chinesisches Frühstück mit warmen Speisen, bevor der Unterricht mit der in China noch wenig verbreiteten Methode „Project-Based-Learning“ begann. Das Thema lautete „Interkultureller Austausch, Stereotypen und deren Abbau“. In gemischten Gruppen diskutierten wir über kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten und gestalteten zusammen eine große Plakatwand. Ein besonderes Highlight war das Arbeiten mit dem 3D-Drucker, mit dem wir eigene Fidget Spinner entwarfen und zusammenbauten. Nach dem Mittagessen wurde uns die chinesische Tradition des Mid-Autumn-Festivals vorgestellt, und wir konnten selbst Laternen basteln, Zuckerbilder gestalten und Mooncakes angeln. Zwei aus unserer Gruppe bekamen kleine Preise, da sie bei den Spielen die meisten Sticker gesammelt hatten.
Am Dienstag hatten wir die Gelegenheit, traditionelle chinesische Kleidung, sogenannte Hanfu, anzuprobieren. Ebenfalls durften wir auf traditionelle Weise weißen Tee zubereiten und Anhänger aus Seide basteln, eine Einführung in alte chinesische Handwerkskunst. Außerdem erfuhren wir Spannendes über die Entstehung chinesischer Schriftzeichen. Am Nachmittag fand das große Sport- und Spielfest der Schule statt, das traditionell kurz vor dem Nationalfeiertag und den darauf folgenden Ferien veranstaltet wird. In Teams traten wir bei Spielen wie Sackhüpfen oder „Raupenrennen“ gegeneinander an und hatten viel Spaß. Zum Abschluss präsentierten wir unsere fertigen Projektarbeiten zum Thema Stereotypen, erhielten Zertifikate und kleine Pandafiguren als Erinnerung. Am Abend feierten wir gemeinsam mit den Lehrern der Grand International School beim Abschlussdinner. Lustigerweise trafen sich später fast alle Kleingruppen – ohne vorherige Absprache – bei McDonald’s wieder.
Am 1. Oktober, dem chinesischen Nationalfeiertag und dem Beginn der einwöchigen Herbstferien, wurden wir morgens durch eine Dauerschleife des Liedes „What doesn’t kill you makes you stronger“ geweckt, ganze zwölf Minuten lang. Solche musikalischen Weckaktionen sind keine Seltenheit, da viele chinesische Schüler stark überarbeitet sind und ein gewöhnlicher Wecker oft nicht ausreicht, um sie aus dem Schlaf zu holen. Der Schulalltag in China ist extrem anspruchsvoll, da die Unterrichtstage sehr lang sind (von 7.00 Uhr bis 20.30 Uhr!!!) und ein hoher Leistungsdruck Alltag ist. Bereits Wochen vor den Ferien sind die Lernenden dazu verpflichtet, den durch die freien Tage verpassten Schulstoff an den Wochenenden vorzuarbeiten.
Danach zogen wir ins Hotel um, da das Internat nunmehr geschlossen blieb, und frühstückten dort „deutsch“ mit Toast. Auf dem Programm stand an diesem Tag eine Führung durch das Museum zur Geschichte Qingdaos, bei der wir viel über die Stadtentwicklung und die Kolonialzeit erfuhren. Anschließend erkundeten wir die Altstadt mit ihren Gebäuden aus der deutschen Zeit und besuchten eine evangelische Kirche. Überall war die Stadt festlich geschmückt und in den Straßen herrschte Feiertagsstimmung.
Für die Chinesen waren wir nahezu exotische Besucher und dementsprechend beliebte Fotomodelle, vor allem die großen Blonden unter uns. Wir bemerkten oft, dass Menschen uns einfach fotografierten oder filmten, ohne uns zuvor um Erlaubnis zu fragen oder eine gewisse Scham zu empfinden und die Fotos nur unauffällig anzufertigen. Gewöhnungsbedürftig war auch, dass überall Überwachungskameras angebracht waren, sogar in den Klassenzimmern.
Am Donnerstag besichtigten wir das Museum zum Ersten Weltkrieg mit den alten deutschen Bunkeranlagen. Besonders spannend waren die historischen Zeitungen und Postkarten aus jener Zeit. Danach ging es zu einem nachgebauten buddhistischen Tempelkomplex mit traditionellen chinesischen Gebäuden. Den Abend ließen wir individuell ausklingen, wo wir bei leckerem Essen und Musik Zeit mit unseren chinesischen Partner*innen der Thomas School verbrachten, ein besonders schöner Abschluss des Tages.
Der Freitag führte uns über die 26,7 km lange Qingdao Jiaozhou Bay Bridge hinaus auf die Westseite der Stadt, wo wir ein chinesisches Dorf besuchten. Dort trafen wir eine über 90-jährige Frau, die uns herzlich begrüßte. Von anderen Bewohnern bekamen wir sogar Äpfel geschenkt. Auf einer nahegelegenen Kiwi-Farm durften wir die Früchte selbst pflücken und probieren, bevor es ein landestypisches Mittagessen direkt auf der Farm gab. Danach genossen wir den Blick von einem Aussichtspunkt über die Westküste Qingdaos. Auf dem Rückweg fuhren wir durch den Unterseetunnel zurück in die Innenstadt. Am späten Nachmittag spazierten wir vom Platz des 4. Mai, einem geschichtsträchtigen Ort, an dem nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund der Übernahme des Gebietes durch Japan Proteste stattfanden, bis hinunter zum Yachthafen mit Leuchtturm. Von dort aus bewunderten wir am Abend die eindrucksvolle Lichtshow über dem Wasser. Was für ein tolles Schauspiel!
Am Samstag stand zunächst der Besuch eines großen Marktes mit vielen Hallen auf dem Programm, in denen es wirklich alles gab: frische Meeresfrüchte, Obst, Gemüse, Gewürze und viele regionale Spezialitäten. Danach verbrachten wir den Nachmittag am Strand, einige gingen schwimmen oder fuhren Jetski. Anschließend spazierten wir gemütlich an der Promenade entlang. Beim großen Abschiedsessen am Abend wurden Gastgeschenke überreicht und natürlich durfte das berühmte Tsingtao-Bier nicht fehlen – selbstverständlich mit vorheriger Zustimmung unserer Führungscrew. Es war ein fröhlicher, aber auch etwas wehmütiger Abend, denn allen war klar: Die Reise neigt sich dem Ende zu.
Am Sonntag besuchten wir den bekannten Perlenmarkt, wo es jede Menge Schmuck, Andenken und Handwerkskunst zu kaufen gab. Anschließend erhielten wir eine Führung durch ein restauriertes traditionelles Courtyard-Viertel, in dem viele Gebäude aus der Kolonialzeit liebevoll wiederhergestellt waren. Bei einem Spaziergang durch die alten Gassen und einem letzten Kaffee oder Tee verabschiedeten wir uns langsam von Qingdao. Am Nachmittag ging es zurück zum Flughafen, zunächst wieder nach Peking und schließlich weiter nach Frankfurt. Müde, aber voller Eindrücke und Erlebnisse kamen wir am Morgen des 6. Oktober wieder in Attendorn an, im Gepäck unzählige Erinnerungen an eine spannende, lehrreiche und herzliche Zeit in China. Wir danken Frau Beul, allen chinesischen Lehrer*innen und den Organisatoren der Akademie Biggesee, die uns diese außergewöhnliche Begegnung ermöglicht haben.
Marleen Schmidt, Theresa Kaiser, Nina Cordes – Jahrgangsstufe Q1